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0-1499 AD -> 1440-1464 Cusanus und St. Wendel - ein Blick auf die Quellenlage

Cusanus und St. Wendel - ein Blick auf die Quellenlage

Es ist es schon auffallend, dass die Quellenlage zu „Cusanus und St. Wendel“ so wenig ergiebig ist und wie spärlich die Sekundärliteratur dazu ausfällt. Und das betrifft nicht nur Schriftgut von Cusanus selbst, sondern auch über ihn und sein Wirken in St. Wendel, auch nicht aus den Jahrhunderten nach seinem Tode. Unterlagen über den Bau der heutigen Basilika existieren in St. Wendel nicht – weder Auftragsschreiben noch Rechnungen noch sonstige Zeugnisse. Ebensowenig solche, die Cusanus’ Zeit in oder mit St. Wendel direkt belegen.

Die Urkunde, die ihn 1446 als Pfarrer von St. Wendel nennt, wurde in Frankfurt ausgestellt und nach Trier geschickt, deshalb liegt sie heute im Landeshauptarchiv in Koblenz. 1499 hat sich das Kueser Hospital das Recht erstritten, zur Einlösung von Schulden des Trierer Erzbischofs beim Hospital zwei Drittel aller Einkünfte der Pfarrei St. Wendel einzuziehen. Das geht nicht - wie vielfach angenommen - auf den Umstand zurück, dass Cusanus hier Pfarrer gewesen war, sondern offenkundig allein darauf, dass die Pfarrei St. Wendel finanziell gut ausgestattet war - es gab hier viel zu holen. Spätestens im Laufe der Kriegswirren und schlimmen Heimsuchungen im 17. Jahrhundert geriet dieses Recht in Vergessenheit. Das mag daran gelegen haben, dass die Kueser ihre Rechte nicht durchsetzten oder dass die St. Wendeler ihren Verpflichtungen einfach nicht nachkamen. Erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts besann man sich in Kues wieder seine Rechte. Der damalige Rektor stellte Unterlagen zusammen, aus denen sich die Ansprüche herleiten ließen. Und St. Wendel bezahlte brav bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.

Aus dieser Zeit dürfte auch das Cusanische Haus nahe der Wendalinus-Basilika stammen. Über alle diese Vorgänge, die sich zweifelsohne auch in den St. Wendeler Pfarrakten niedergeschlagen haben müssen, findet sich in St. Wendel nicht ein schriftliches Zeugnis. Die Leere, die sich dem halbwegs kundigen Sucher bietet, ist schon frappierend; da drängt sich leicht der Verdacht auf, dass hier - z.B. im frühen 18. Jahrhundert - alles vernichtet worden sein könnte, was den Kueser Anspruch hätte untermauern können.

Die äußerst dünne Quellenlage über Cusanus’ Beziehungen zu St. Wendel und seine Maßnahmen vor Ort führt auch dazu, dass wir nicht wissen, wie lange Cusanus wirklich hier Kommandatarpfarrer war. Werner Martin hat auf ein Schreiben von Cusanus an Erzbischof Jakob von Sierck aus dem Jahre 1853 hingewiesen. Darin hielt der Erzbischof Cusanus vor, dieser habe die Pfründe durch ihn erhalten, worauf Cusanus erwiderte, dass bereits Papst Martin V. ihm die Pfründe St. Wendel versprochen habe. Da Papst Martin V. 1431 gestorben war, muss dieses (mündliche) Versprechen vor diesem Zeitpunkt  liegen. Cusanus’ Vorgänger als Inhaber der Pfründe St. Wendel war der Trierer Weihbischof Johannes de Monte. Cusanus‘Bestellung als Pfarrer von St. Wendel muss demnach zwischen de Montes Tod im Dezember 1442 und Oktober 1446, dem Ausstelldatum des Frankfurter Briefes, erfolgt sein. Genauer wissen wir es nicht. Ebenso unbefriedigend ist, dass weder der erwähnte Brief noch andere Dokumente hinsichtlich Cusanus’ Abgabe der Pfarrei Aufschluss geben. Fest steht lediglich, dass dieses Ereignis in den Zeitraum zwischen dem 7. August 1461 und dem 24. Januar 1464 fiel.

1461 informierte Papst Pius II. den Dekan der Trierer Kirche über eine Mitteilung des Trierer Kurfürsten Johann II von Baden. Der hatte gebeten, der Papst möge u.a. die Pfarreien St. Wendel und Brechen in sein erzbischöfliches Tafelgut übertragen; er war allem Anschein nach darauf aus, Finanzen für die Tilgung seiner Schulden aufzutreiben. Der Papst nennt als Voraussetzung dieser Übertragung, dass die beiden Pfarrer „abtreten oder gleichzeitig oder nacheinander verscheiden oder diese Kirchen auf irgendeine andere Weise abgeben". Keiner der Pfarrer wird explizit mit Namen genannt, so dass wir vermuten müssen, dass mit dem  Pfarrer von St. Wendel Cusanus gemeint war. Vor der Übertragung sollten die Pfarreien außerdem auf ihren Wert hin geschätzt werden. Auf diese Schätzung wird in der Urkunde Ende Januar 1464 erneut hingewiesen, da sie nicht ausgeführt wurde.

Wann also erfolgte tatsächlich die Übergabe? Das ist eine ziemlich schwierige Frage, die ob der bescheidenen Quellenlage nicht beantwortet werden kann. Cusanus war 1461 sehr schwer erkrankt, und es wurde vermutet, daß er nicht überleben würde. Aber er starb nicht; wäre er gestorben, dann wäre 1461 ein klares Datum. Er starb im August 1464, also ein gutes halbes Jahr nach der Ausstellung der besagten Urkunde von 1464. Also muss er die Pfarrei entweder abgetreten oder auf andere Weise abgegeben haben, weil andernfalls die Urkunde 1464 nicht hätte wirksam werden können. Es spricht alles dafür, dass das so geschehen ist, sonst wäre die Wertschätzung für die Pfarrei danach nicht erneut moniert worden. Aus welchem Grund die Urkunde von 1464 mit keinem Wort auf das Verhalten der Pfarrer eingeht - weder in St. Wendel noch in Brechen – bleibt offen und ist absolut rätselhaft. Sollte Cusanus vor Ende Januar 1464 die Pfarrei abgegeben haben, stellt sich die Frage, an wen er sie abgab. Leider gibt es darauf keine Antwort. Keineswegs jedoch kann es als gesichert gelten, das Jahr 1461 als Übergangsdatum anzunehmen.
 
Eine weitere Frage, die sich stellt, aber nach bisher bekannter Quellenlage nicht zuverlässig beantwortet werden kann: Wann kam die Pfarrei aus dem erzbischöflichen Tafelgut in den Vermögensbereich des Erzbistums Trier? Jedenfalls nicht aus der zitierten Urkunde aus dem Jahre 1464. Denn die Einnahmen aus dem Tafelgut, die Mensa, standen einzig dem Bischof zu, der sich daraus finanzierte.

Was die Beziehungen des Cusanus zu seiner Pfründe in St. Wendel anlangt, ging der im März 2014 in St. Wendel verstorbene Cusanus-Forscher Werner Martin mit Blick auf die dürftige Aktenlage von folgenden Fakten und Erwägungen aus:

1453 schreibt Cusanus an den Trier Erzbischof Jakob I. von Sierck, Papst Martin V habe ihm vor 1431 St. Wendel als Pfründe zugesagt.

Weihbischof Johannes de Monte erhält 1440 von Erzbischof Otto von Ziegenhain die Pfarrei als Pfründe
1440: Laut Acta Cusana läßt der Papst dem Erzbischof Jakob I. von Sierck 1440 den Betrag von 10.000 fl Schulden nach. Die Nachricht sollte durch Johann von Frankfurt überbracht werden; auf der Urkunde ist vermerkt, dass Cusanus die Nachricht überbracht hat. Möglicher Grund: Cusanus hat ein Interesse an der Pfarrei. Er verhandelt mit Sierck, dass ihm nach de Montes Tod die Pfarrei als Pfründe zufällt. Die Zuteilung lässt allerdings den Papst als Entscheidungsträger außen vor. Weihbischof Johannes de Monte stirbt 1442.
In einem Ablaßbrief für die Pfarrei St. Wendelin, Metzer Diözese, wird Cusanus 1446 vom Papst als Pfarrer von St. Wendelin genannt (womit eine nachträgliche Bestätigung der Pfründeübertragung an Cusanus durch den Papst erfolgt)
1461 sucht der Papst ein gutes Verhältnis zum Trierer Erzbischof Johann II von Baden; er nimmt die Zuteilung der Pfründe wieder selbst in die Hand. Johann II von Baden hat Ärger mit den Trierer Bürgern, sie verweigern ihm die Huldigung. Cusanus steht auf Seiten der Bürger. Er stimmt der Übertragung der Pfründe ins erzbischöfliche Tafelgut nicht zu, in dem er nicht aus dem Amt scheidet.
Vor Januar 1464 sucht Rom eine friedliche Lösung des Konfliktes. Vermutlich gibt es Verhandlungen zwischen Cusanus und dem Trierer Erzbischof. Ein Ergebnis dieser Verhandlungen könnte das Wappenensemble sein, das sich im Deckenbild der Wendalinus-Basilika befindet. Darin wird differenziert zwischen Kirche und Staat; Cusanus hat diese Differenzierung in der Concordancia Catholica propagiert. Das ist nicht im Sinne des Papstes, der auch politische Ziele hat. Es kommt zu einer Einigung. Cusanus stimmt dem Ergebnis zu: Er gibt St. Wendel als Pfründe auf.
24.01.1464: Die Pfründe geht in das Tafelgut des Trierer Erzbischofs über.

Wie schon dargelegt,  handelt es sich um Schlußfolgerungen Werner Martins auf Basis der vorhandenen Fakten.  Martins Anliegen war es, der Cusanusforschung, die die Beziehungen Cusanus’ zu St. Wendel bisher weitgehend ignoriert oder nicht berücksichtigt hat, Denkanstöße zu liefern. Sein unerwarteter Tod im März 2014 verhinderte die weitere Fundierung. Es bleibt zu hoffen, dass die künftige Geschichtsforschung endgültige Aufschlüsse bringt.



 

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